Problemschach-Theorie (1)
In dieser Rubrik möchte ich dem interessierten Publikum jeweils einen problemschachlichen Begriff vorstellen und anhand eines Beispiels erläutern. Beginnen möchte ich mit dem Inder, ich greife dabei auf meinen Artikel aus unserer Clubzeitung zurück (Heft Nr. 51, Juli 2003, S. 57).
Der Inder (Indisches Problem, auch Loveday genannt) ist eine direkte weiße Schnittpunktkombination, und zwar eine kritische Überschreitung eines Schnittpunkts, um ihn für eine Anderssen-Verstellung (zweizügiges Manöver bestehend aus einer freiwilligen pattverhütenden Verstellung eines weißen Langschrittlers gefolgt von einem Abzugsschach) brauchbar zu machen.
Im Februar 1845 veröffentlichte Staunton in seinem „The Chess Player's Chronicle" einen Problembeitrag aus Indien. Später stellte sich heraus, dass der Autor Henry A. Loveday hieß und das Amt eines Geistlichen im „Bengal Ecclesiastical Establishment" ausübte. Die Aufgabe machte beispiellose Furore, aber erst J. Kohtz und C. Kockelkorn blieb es vorbehalten, in ihrer berühmten Monographie „Das Indische Problem" (1903) die Bedeutung des von Loveday erfundenen kritischen Zuges voll zu erkennen und in die Problemtheorie einzuführen. Diese Studie bildete dann auch den eigentlichen Ausgangspunkt der so fruchtbaren Neudeutschen Schule.
H.A. Loveday
Chess Player's Chronicle 1845
Version
#3 (8+4)
Betrachten wir uns das Pionierproblem zur indischen Verstellung:
Mit dem kritischen Zug 1.Lc1! leitet Weiß die pattvermeidende Verstellung des weißen Läufers ein. Nach 1.- b4 steht Schwarz patt. Nun folgt der Sperrzug 2.Td2 mit Pattaufhebung durch Fluchtfeldgabe auf f4. Schwarz bleibt nur der Königszug nach f4, worauf 3.Td4# mit Ausnützung der Anderssen-Verstellung folgt.