Portrait Wilhelm Eser

Ein Portrait des Gründungsmitglieds

Wilhelm Eser

Portrait Eser Der Schachfreund, von dem im folgenden die Rede sein soll, hat wohl wie kein zweiter das Geschehen des Schachklubs über mehr als ein halbes Jahrhundert entscheidend mitgeprägt. Die wenigsten von Ihnen haben die Gelegenheit gehabt, ihn persönlich kennenzulernen. Aber sein Werk blüht und gedeiht heute bereits mehr als 30 Jahre nach seinem Tod. Und so möchte ich das Leben und Wirken von W. Eser uns allen aufs neue ins Bewußtsein bringen.

In meinen Ausführungen beabsichtige ich weiter auszuholen, als dies allgemein üblich ist, und W. Eser als Persönlichkeit in seiner Zeit und zugleich als Gründer und Förderer des Schachklubs Ludwigshafen 1912 zu zeichnen.

1. Lebenslauf

Die Ahnen von W. Eser väterlicherseits waren um 1875 aus dem Donauried nach Ludwigshafen umgesiedelt. Sein Vater Adolf war Weber und fand in der BASF Arbeit. Die Ahnen mütterlicherseits waren in der Pfalz bereits ansässig. Seine Mutter Magdalena arbeitete in einer Textilfabrik in Mannheim.

Aus der Ehe von Adolf Eser und Magdalena geb. Weber entstammen 9 Kinder: 4 Jungen und 5 Mädchen. Wilhelm wurde am 25.04.1890 als 7. Kind geboren.

Er besuchte die Goetheschule, wo die Klasse noch 60 Knaben zählte. Mit 14 Jahren verlor er seinen Vater; fortan half die älteste Schwester als Schneiderin mit, die große Familie zu ernähren. Wilhelm Eser besuchte die Kaufmännische Fortbildungsschule und machte eine kaufmännische Lehre bei einer Werkzeugmaschinenfabrik in Ludwigshafen.

Schon im Alter von 17 Jahren verstand er, sich Respekt zu verschaffen, wozu in der damaligen Zeit eine gehörige Portion Zivilcourage gehörte. Als er am letzten Tag seiner Lehrzeit eine Ohrfeige erhalten sollte, verwahrte er sich entschieden gegen eine solche Behandlung. Mit den Worten "Ich habe heute ausgelernt!" wehrte er den Übergriff auf seine Persönlichkeit ab.

In den folgenden Jahren war er Handlungsgehilfe bei seiner ehemaligen Lehrfirma und arbeitete anschließend als Buchhalter und Korrespondent bei einer Firma in Mannheim. Gleichzeitig besuchte er zur Ergänzung seiner Ausbildung Abendkurse in Englisch.

Kurz nach Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde er zum "Ersatzbataillon Landwehr, Infanterieregiment 8" eingezogen und nach drei Monaten an die Front geschickt.

Auch aus dieser Zeit ist eine Anekdote überliefert. Eser schrieb auf einer offenen Postkarte an seine Braut in der Heimat, daß die Offiziere bessere Mahlzeiten erhielten als die einfachen Mannschaften. Einige Tage später verkündete ein Offizier, eine Änderung im Speiseplan: "Heute gibt es für alle Hühnchen und Spargel" (Ob allerdings die Beschwerde und die Änderung in irgendeinem Zusammenhang standen und ob die Änderung von Dauer war, ist unbekannt.)

Von mehr als 4 Jahren Krieg sollte W. Eser mehr als 3½ Jahre im Schützengraben zubringen. Zuerst wurde er an der Westfront in Flandern und an der Somme eingesetzt. Dann kam er für ein halbes Jahr an die Karpatenfront im Osten. Und schließlich brauchte man ihn wieder an der Westfront, dieses Mal in Lothringen und in der Champagne. Am Ende des Krieges kehrte er - vom bayerischen König und vom deutschen Kaiser mit Orden geehrt - als Unteroffizier, aber mit einer schweren Rippenfellentzündung in die Heimat zurück.

Als die Franzosen, die das linke Rheinufer besetzt hatten, erstmals die Rheinbrücke von Ludwigshafen und Mannheim sperrten, mußte sich W. Eser eine neue Arbeitsstelle suchen. Er kam bei der BASF an, wo er aber zunächst nur auf der Basis von Stundenlohn beschäftigt wurde, da Einstellungen gesperrt waren. Während der längsten Zeit seines Berufslebens wirkte er als "Führer der Einkaufsgruppe für den Bedarf an Maschinen und Apparaten".

1919 heiratete er Helene Steiger. Das erste Kind, ein Sohn, starb bereits nach wenigen Monaten an Lungenentzündung. Die beiden Mädchen fanden später in der BASF eine Arbeitsstelle

Während des 2. Weltkrieges war W. Eser meist auf Geschäftsreisen im Auftrag seiner Firma. Bei der zweiten großen Explosion in der BASF 1948 lag sein Arbeitsplatz ganz in der Nähe der Unfallstelle. Er kam unter einen umfallenden Schrank zu liegen, wurde verletzt und trug einen Schock davon

1955 wurde W. Eser in den Ruhestand versetzt. Am 01.08.1968 starb er und wurde im Friedhof von Friesenheim begraben.

2. Wesen

Man könnte annehmen, W.Eser wäre bei dem geschilderten Lebensweg mit den zahlreichen Schicksalsschlägen mehr und mehr verbittert worden. Das trifft aber nicht zu. Die in seiner beruflichen Tätigkeit gezeigten Eigenschaften - korrektes, einsatzfreudiges und verantwortungsbewußtes Handeln - waren Ausdruck seines tiefverwurzelten Pflichtgefühls. Dieses Verhalten bewies er auch im privaten Leben, sowohl in der Familie als auch im Schachklub.

Für W. Eser spielten Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit und Verläßlichkeit eine entscheidende Rolle im zwischenmenschlichen Zusammenleben. Über unterschiedliche Standpunkte ließ er jederzeit mit sich reden, erwartete aber Sachlichkeit und Toleranz, wie er sie umgekehrt auch sich abverlangte.

Für ihn spielten Titel, Rang, Stand, Besitz oder Einfluß keine Rolle. Der Mensch allein war entscheidend. Jedem Gesprächspartner trat er unter Wahrung der gebotenen Höflichkeit respektvoll, aber ebenso selbstbewußt gegenüber.

Im Mittelpunkt aller sozialen Beziehungen stand für W. Eser die Familie. Seine ganze Liebe wandte er der Ehefrau und den Kindern zu. Das tat freilich seiner Stellung als sichtbar, dominantes Oberhaupt der Familie keinen Abbruch.

Bei der Erziehung mußten seiner Überzeugung nach Strenge und Güte in gleichem Maß zusammenkommen, wenn die Kinder im Leben Sicherheit erlangen sollten. Stets nahm er an dem Wohl und Wehe aller Familienmitglieder innigsten Anteil.

Auch mit persönlichen Mängeln verstand er zu leben und machte das Beste daraus. Er war farbenblind. So erhielt er bei Würfelspielen in der Familie stets die grellgelben Steine. Bei modischen Fragen, in denen er gut Bescheid wußte und für die er sich interessierte, orientierte er sich an Stoffen und Mustern.

Gegen Ende seines Lebens mußte er erfahren, daß eine Mitgliederversammlung des PSB dem Ehrenmitglied Dr. Bachl die persönlichen Ehrenrechte empfindlich beschnitten hatte. Die Entscheidung war in der Sache höchst fragwürdig und in der Methode untragbar. W. Eser setzte sich in einem monatelangen, leidenschaftlich geführten Briefwechsel mit den Verantwortlichen auseinander und legte sogar aus Protest seine Ehrenmitgliedschaft nieder, bis die alten Rechte des Geschädigten wiederhergestellt waren.

Das stark entwickelte Pflichtgefühl und Verantwortungsbewußtsein könnte zunächst den Eindruck erwecken, W. Esers Grundeigenschaft wäre Strenge, ja vielleicht sogar Härte gewesen. Dieser Eindruck täuscht. Je länger man ihn kannte und je mehr man mit ihm zu tun hatte, desto mehr Menschlichkeit spürte man an ihm. Sein verständnisvolles Lächeln forderte jedem Sympathie ab. W. Eser war eine respektable und liebenswürdige Persönlichkeit.

3. Schachleben

a) aktiver Schachspieler

W. Eser hat nach eigener Aussage in jungen Jahren das Schachspiel von seinem Patenonkel gelernt. Sein erstes Schachbuch scheint Reklams "Schachleitfaden" gewesen zu sein. Er schreibt über diese Jahre, wie er mit einfachsten Mitteln sich ein Schachspiel fertigte und wie er "etwa 1908 durch eine Simultanveranstaltung des Schachmeisters Rudolf Spielmann auf den Mannheimer Schachklub aufmerksam wurde. Als Benjamin des Vereins [hat er] bald in den Vereinsturnieren seine Spielstärke gehoben, die sich zwar mit der von Gudehus oder Dr. Schneider (aus Ludwigshafen) lange nicht messen konnte. Sie überragte aber die der damals im Vereinshaus der BASF Sonntag vormittags zum Frühschoppen zusammenkommenden "Sonntagsspieler" "

Schach war bald sein erstes Steckenpferd geworden und blieb es sein Leben lang. Regelmäßig besuchte er den Schachabend und die anderen Veranstaltungen des Schachklubs. In den ersten beiden Jahren nach der Gründung des Klubs wurde er Klubmeister. In der Folgezeit beteiligte er sich eifrig an Klub- und Stadtmeisterschaften und an Wettkämpfen mit den anderen Vereinen. Weniger Interesse fand er am Blitzspiel, an Turnieren außerhalb des Klubs und an Turnieren auf Pfälzer Ebene. Eine besondere Vorliebe entwickelte er aber für das Simultan- und für das Blindspiel.

Über seine Spielstärke in der frühen Zeit kann nichts Genaues ausgesagt werden, da (noch) keine Turnierpartie vorliegt. In seiner Glanzzeit - etwa von 1923 bis 1933 - gehörte er zu den besten Spielern im Schachklub und in der Stadt. In einem starkbesetzten Gästeturnier in Mannheim 1926 belegt er hinter Hans Ruchti(Speyer), dem ersten Einzelmeister des PSB, den 2.-3. Platz mit Dr. Egon Meyer, und im Jahr darauf wurde er Stadtmeister von Ludwigshafen nach Stichkampf mit Max Fleißner. Eine Mitgliederliste von 1937 führt W. Eser unter der 1. Spielklasse auf. Zu dieser Zeit begann er aber bereits, sich vom aktiven Turniersport zurückzuziehen.

b) Schachorganisator

W. Eser schaltete sich in seiner jahrzehntelangen aktiven Zeit immer wieder in die Organisation des Schachlebens auf Vereins-, Stadt- und Pfalz-ebene ein, wann immer sein Einfallsreichtum und seine Tatkraft benötigt wurden.

Am 28. 06. 1912 gründete er mit 16 weiteren Schachjüngern den "Schachklub Ludwigshafen am Rhein". Schachlokal war zunächst das "IG Feierabendhaus". Auch nach den schmerzlichen Unterbrechungen des Spielbetriebs durch den 1. und 2. Weltkrieg betrieb er die Wiedergründung des Schachklubs: das erste Mal 1919 vermutlich mit Sebastian Thurner, das zweite Mal 1946 mit Karl Zimmermann.

In der schwierigen Zeit des 3.Reiches ergriff er die Initiative, als die ersten Stürme vorbei waren und offensichtlich für den Klub das Chaos drohte. Denn der von oben eingesetzte "Klubleiter" war nach knapp einem Jahr spurlos und auf Nimmerwiedersehen verschwunden. W. Eser berief im Sommer 1934 eine außerordentliche Generalversammlung ein, auf der ein neuer Vorstand mit 10 Mitgliedern für den Schachklub und ein eigener aus 3 Mitgliedern für das zweite Spiellokal demokratisch gewählt (!) wurden. Der Schachklub hatte von 1933 bis 1943 für seine zahlreichen Mitglieder zwei Spiellokale gleichzeitig in der Stadt.

W. Eser war stets bereit, mit Rat und Tat seinem Klub zu helfen. Dabei war es seine bescheidene Art, sich nicht in den Vordergrund zu spielen, sondern mehr aus dem Hintergrund Einfluß zunehmen. Aber er arbeitete auch aktiv im Vorstand mit. So leitete er insgesamt 6 Jahre lang den Schachklub; auch alle anderen klassischen Vorstandsämter hat er irgendwann einmal betreut. Darüber hinaus stellte er sich für Simultanvorstellungen zur Verfügung und hielt Vorträge über Fragen des Turnierspiels.

Besonders zu erwähnen sind noch seine Tätigkeiten, durch die er das Schachgeschehen schriftlich festhielt. Er hat drei mehrseitige Aufsätze über die (Früh-) Geschichte des Schachklubs verfaßt, die heute zu den spärlichen, aber verläßlichsten Primärquellen gehören. Für die "Pfälzische Schachzeitung", die der Schachklub 1925 herausgab, schrieb W. Eser einen großen Leitartikel über die "Geschichte des Pfälzischen Schachbundes".

Der Schachklub hat als äußeres Zeichen seiner Anerkennung und seines Dankes W. Eser 1934 den Ehrenvorsitz zuerkannt. Möglicherweise in Unkenntnis dieser Tatsache und als Folge des Umstandes, daß die Akten am Ende des Krieges verbrannt waren, wurde W. Eser 1947 zum Ehrenmitglied ernannt.

Auch im Pfälzischen Schachbund ist W. Eser aktiv geworden. Er regte zusammen mit H. Heckner (Frankenthal) die Gründung eines Dachverbandes für die pfälzischen Schachvereine an. In einer Gründungsversammlung am 20.11.1921 in Neustadt, zu der 12 Vereine erschienen waren, wurde der Pfälzische Schachbund aus der Taufe gehoben.

Auch dort wirkte W. Eser jahrelang an entscheidender Stelle im Vorstand mit: 1922-1929 als 2. Vorsitzender und 1933-1939 als Schatzmeister.

Der PSB zeigte sich erkenntlich, indem er W. Eser anläßlich des 10. Kongresses 1932 in Ludwigshafen die Ehrenmitgliedschaft antrug und ihn beim Jubiläum zum 50. Bestehen des PSB 1961 in Ludwigshafen zum Ehrenvorsitzenden ernannte.

Wir können das Gedenken an den Gründer und Förderer unseres Schachklubs, W. Eser, am überzeugendsten zum Ausdruck bringen, indem wir seinem Beispiel folgen.

Mannheim, 01.07.1999 R. Arnold